Türkei VI: Adana-Gaziantep - 14.-20. Oktober 2013

Deutsch

Bei Goethes „Faust“ ist die Rede von der „Kraft, die stets das Böse will und das Gute schafft“. So ungefähr lässt sich auch meine Etappe von Adana nach Gaziantep zusammenfassen. Das Böse war mir in Form einer Reihe von gravierenden Schäden am Fahrrad erschienen. Wobei jene Kraft, die diese Schäden verursacht hatte, nicht unbedingt böse ist, sondern einfach „normaler Verschleiß“ genannt werden kann. Aber die bösen „Schäden“ waren nun mal da: Zum einen eierte mein Hinterrad und zum anderen waren die Bremsbeläge vorne und hinten durchgescheuert. Das musste fachmännisch repariert werden. Dumm nur, dass wegen der Feiertage kaum eine Reparaturwerkstatt geöffnet war. Und dann musste ich auch noch einen Mechaniker finden, der die komplizierten Scheibenbremsen überhaupt reparieren konnte. Ich drohte, fast eine ganze Woche Zeit zu verlieren.

Und jetzt das Gute: „Dank“ dieser Schäden durfte ich mehrfach eine überwältigende Hilfsbereitschaft erfahren, die für sich genommen großartige Erfahrungen darstellen, die ich nicht missen möchte. Aber der Reihe nach: In Gaziantep kam ich zunächst bei Namik unter, einem Arzt, der mit seiner Familie in einem schönen Haus mit Garten lebt. Als sie erfuhren, dass ich technische Probleme hatte, diese aber wegen der Bayram-Feiertage vorerst nicht beheben lassen konnte, setzten sie alle Hebel in Bewegung. Ich durfte bei ihnen bleiben, um abzuwarten und kam so in den Genuss ihrer kulinarischen Schätze. Besonders schön war auch, als sie an einem Abend spontan einen Gesangsabend veranstalteten.

Extra für mich fuhren sie ins 40 km entfernte Kilis, wo es eine der wenigen Werkstätten in der Gegend gab, die in dieser Feiertagswoche geöffnet hatte. (Zum Glück konnten sie den Ausflug für Verwandtenbesuche nutzen.) Die Stadt liegt direkt an der syrischen Grenze, so dass ich gleichzeitig Eindrücke vom Krieg in Syrien bekam. Zunächst sah ich auf dem Weg nach Kilis überall Flüchtlinge. In Kilis selber hörte ich Schüsse, denn die Kampfhandlungen waren nur 10 bis 15 km entfernt. Für die Einheimischen freilich was das “völlig normal“.

Jedenfalls konnte der Mechaniker in Kilis die Acht aus meinem Hinterrad ausbeulen. Allerdings hatte er keine Ersatzteile für die Bremsen. Und so musste ich doch noch in die Innenstadt von Gaziantep ziehen, um dort einen passenden Mechaniker zu finden. Als ich in der Stadt ein billiges Hotel suchte, sprach mich ein junger Mann namens Dozwan an. Dozwan sprach gut deutsch und half mir, ein passendes Hotel zu finden. Anschließend lud er mich zum Mittagessen ein. Als er hörte, dass ich Probleme mit meinem Fahrrad hatte, organisierte er sogleich ein Treffen mit zwei befreundeten Radrennprofis. Diese Jungs waren hervorragende Fahrradmechaniker und hatten die Ersatzteile auf Lager. Somit konnten sie mein Bike problemlos reparieren. Dafür opferten sie mal eben einen halben Nachmittag für mich. Eine Gegenleistung wollten sie nicht annehmen, aber immerhin konnte ich ihnen eine ordentliche Portion des köstlichen Pistazien-Baklavas, das aus Gaziantep stammt, überreichen.

Seitdem läuft mein Fahrrad wieder einwandfrei. Als Nächstes geht es tief in das südöstliche Anatolien hinein, in die Kurdengebiete.

 

English

In Goethe's "Faust", there is mentioning of the "force which always wants evil and creates the good". This is more or less how my leg from Adana to Gaziantep can be summarized. The evil had occured to me in the form of some serious damage to the bicycle. Granted, the force that had caused this damage is not necessarily evil but may also be called simply "normal wear". But the evil "damage" had now been out there: Firstly, my rear wheel wobbled and second, the brake pads were worn. This had to be professionally repaired. Unfortunately, barely any repair shop was open due to the Bayram holidays. Besides, I also had to find a mechanic who could fix the complicated disc brakes at all. I was on the verge on losing an entire week.

And now the good: "Thanks" to this damage I repeatedly experienced an overwhelming helpfulness which in itself constitute a great experience that I would not want to miss. But first things first: In Gaziantep, I was warmly welcomed by Namik, a medical doctor who lives with his family in a beautiful house with a garden. When they learned that I had technical problems which could not solved for now due to the holidays, they put the wheels in motion to help me. I was allowed to stay with them and came to enjoy their culinary treasures. It was especially nice when they spontaneously organized a singing evening at one evening.

Just for me they drove 40 km away Kilis where there was one of the few shops in the area which had opened in this holiday week (conveniently, they used this trip in order to visit some relatives). The city is located at the Syrian border, so that I got some impressions of the war in Syria. First, on the way to Kilis, I saw refugees everywhere. In Kilis, I heard shots because the fighting was only 10 to 15 km away. The locals though considered this as “totally normal”.

Anyway, the mechanic in Kilis indeed could fix my rear wheel. However, he had no spare parts for the brakes. And so I still had to move to the city of Gaziantep in order to find an appropriate mechanic. When I was looking for a cheap hotel in the city, a young man named Dozwan approached me. Dozwan spoke good German and helped me finding a suitable hotel. Then he invited me to lunch. When he heard that I had problems with my bike, he immediately organized a meeting with two friends, some racing professionals These guys were excellent mechanics and had the parts in stock. Thus, they were able to repair my bike easily and sacrificed almost an entire afternoon for me. Although they would not accept a return for their service, I could give them a good dose of delicious pistachio baklava at least, which comes from Gaziantep.

Since then, my bike has been running perfectly again. Next, I am heading deep into south-eastern Anatolia, into the Kurdish areas.

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