Nordirak IV: Sulaimaniyya - 10.-12. November 2013

Deutsch

Da ich mich noch nicht fit genug fühlte, um die 200 km von Arbil nach Suleymaniye mit dem Fahrrad zurückzulegen und mein Visum in wenigen Tagen auslief, trampte ich die Strecke stattdessen. Zunächst hatte ich kein Glück, als ich mit meinem vollbepackten Fahrrad an der Straße stand und den Daumen herausstreckte. Aber die Kurden (zumindest die vom Straßenrand) helfen Fremden ja immer gerne: Ein junger Mann empfahl mir, es beim nächsten Checkpoint zu versuchen und die Soldaten um Hilfe zu bitten. Dazu schrieb er mir auf kurdisch einen Zettel mit meinem Anliegen, dass ich einen Pick-up nach Sulaymaniye bräuchte. Und was machte dann der Soldat vom Checkpoint, als ich ihm den Zettel zeigte? Der hielt tatsächlich alle in Frage kommenden Pick-ups und Trucks an, bis sich einer fand, der nach Sulaymaniye wollte und mich mitnehmen konnte.

Und so erreichte ich die zweitgrößte Stadt Kurdistans schließlich am Abend. Dort nahm mich mein nächster Couchsurfing-Host in Empfang, und zwar Henrik, ein gut 50-jähriger Volkshochschullehrer aus Schweden. Henrik leitet die schwedisch-kurdische Volkshochschule in Sulaymaniye, muss aber gerade einen Kampf mit den Behörden führen, damit die Schule weitergeführt werden kann. Mit Henrik hatte ich eine hervorragende Zeit, denn er zeigte mir interessante Plätze in der Stadt und erzählte mir von seinen Erlebnissen nach einem Jahr als Volkshochschullehrer in Kurdistan. Da kommen so etliche skurrile Geschichten zusammen... Über seine Erlebnisse führt Henrik einen (schwedischsprachigen) Blog, der ihm in seiner Heimat schon eine gewissen Prominenz eingebracht hat. Er bat mich zudem, vor seinen Schülern einen kleinen Vortrag über meine Tour zu halten, was ich natürlich gerne tat. An meinem Beispiel wollte Henrik seinen Schülern zeigen, dass man im Leben gewissermaßen auch mal ungewöhnliche Wege bestreiten kann.

Zwischendurch nutzte ich die Gelegenheit, das ehemalige Foltergefängnis Amna Suraka zu besichtigen. In den Zeiten von Saddam Hussein wurden dort Kurden gefangen gehalten, gefoltert und ermordet. Das Gefängnis ist so belassen worden, als ob es gerade erst geschlossen worden wäre. Auf dem Boden liegen schmutzige Decken der Häftlinge. An einigen Stellen sind Skulpturen von gequälten Häftlingen aufgestellt worden und zwar so, dass man beim Hereinkommen urplötzlich auf sie trifft und sich kurzzeitig erschrickt. Durch diese Maßnahmen entsteht in dem Gefängnis eine beklemmend intensive Atmosphäre, durch welche die grauenerregenden Vorkommnisse jener Zeit erahnbar scheinen. Sehr beeindruckend, im tiefsten Sinne des Worte, ist auch die Ausstellung über den Massenexodus der Kurden Anfang der Neunziger Jahre, als 2 Millionen Kurden vor den Schergen Saddams in die Berge in den Iran flüchteten. Das Elend und das Leid, das die Menschen in dieser Region in den vergangenen Jahrzehnten über sich ergehen lassen mussten, hat meinen Blick auf sie verändert. Wer weiß, was die Person, die mir gerade zum Tee herüberreicht, vor zwanzig Jahren durchmachen musste?

In den Tagen bei Henrik konnte ich mich schlussendlich von meiner Krankheit erholen, so dass ich meine Reise mit dem Fahrrad fortsetzen konnte.

 

English

Since I did not feel fit enough yet to cover the 200km from Arbil to Suleymaniye by bike and my visa was about to expire a few days later, I hitchhiked the route instead. At first, I had no luck , when I stood with my fully loaded bike on the road and tried to catch a pick-up. But the Kurds (at least the ones from the side of the road) are always happy to help strangers: A young man advised me to try it at the next checkpoint and to ask the soldiers for help. For this purpose, he wrote me a note in Kurdish with my request that I would need a pick-up to Sulaymaniye. And then, what did the soldier from the checkpoint do when I showed him the note? He actually stopped all potential pick-ups and trucks until there was one who wanted to go to Sulaymaniye and could take me.

This way, I reached the second largest city in Kurdistan in the evening, where I was welcomed by my next couchsurfing host, namely Henrik, a 50 -year-old adult education teacher from Sweden. Henrik leads the Swedish- Kurdish Community College in Sulaymaniye but is just struggling with the authorities so that the school can continue. I had an excellent time with Henrik because he showed me interesting places in town and told me about his experiences after a year as adult education teachers in Kurdistan. A lot of bizarre stories had occured to him during this period... In order to share his experiences, Henrik writes a (Swedish language) blog which has already earned him a certain prominence in his home country . He also asked me to tell his students from my trip which I obviously was happy to do. On my example, Henrik wanted to show his students that sometimes in life, one can walk on unusual paths in life.

In between, I took the opportunity to visit the former prison Amna Suraka. In the times of Saddam Hussein Kurds there were imprisoned, tortured and murdered. The prison has been left as it as if it has just been closed. Dirty blankets of the prisoners ly on the floor. In some places, sculptures of tortured detainees have been erected in a way that one is scared briefly upon entering the room. Through these measures, an oppressively intense atmosphere is created through which one seems to forebode the horrifying events of that time. On the same area, an exhibition about the mass exodus of the Kurds in the early nineties, fleeing Saddam, is shown. The misery which the people of this region had suffered in recent decades, has changed my perception of them. Who knows what the person who is just offering me tea, had gone through twenty years ago?

In the days at Henrik's place, I could finally recover from my illness so that I could continue my journey by bicycle.

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