Iran II: Esfahan - 17.-22. November 2013

Als ich abends am Bus Terminal in Esfahan ankomme, holt mich mein Couchsurfing-Host Javad ab, ein lässiger 25-jähriger Typ, der weiß, wie man im Iran Spaß haben kann. Javad ist wohl der erfahrenste Couchsurfer, den ich je kennengelernt habe. In den vergangenen acht Jahren nahm er geschätzte 1000 Couchsurfer auf, die oft zu mehreren in seinem gemütlichen und großen Keller übernachten. Ich jedoch habe den Kellerraum wegen der spätherbstlichen Jahreszeit weitgehend für mich allein. Abends kommen Freunde von Javad vorbei, zum Backgammon oder auch um Songs auf der Gitarre zu spielen.

Esfahan jedenfalls gilt als das Meisterwerk Persiens. Diesen Status hat die Stadt vor allem ihren Moscheen mit den prächtigen blauen Mosaiken zu verdanken. Gelegentlich kommt es bei mir vor, dass mich bestimmte Sehenswürdigkeiten wegen ihrer schieren Pracht zu einem staunenden „Boah ey...“ bewegen. Die Moscheen Esfahans auf dem Imam-Platz gehören dazu. Die Mosaiken sind für sich genommen bereits einzelne wunderschöne Kunstwerke. Die Moscheen Esfahans jedoch bestehen aus Tausenden dieser Kunstwerke, welche zusammen ein gewaltiges wunderschönes Ganze ergeben, das aber nicht etwa erschlagend wirkt, sondern jederzeit kunstvoll und harmonisch.

Mindestens genauso interessant sind die menschlichen Zeugen dieser Tage. Im Gegensatz zu Hamadan wirkt Esfahan deutlich liberaler. Schwarze Tschadors tragen die Frauen zwar auch hier, aber viele andere Frauen tragen buntere Klamotten und die Kopftücher geben viel von ihrer „sündigen“ Haarpracht frei. Überhaupt, die Frauen des liberalen Irans: Es ist schon verdammt krass, wie viele junge Iranerinnen Nasenpflaster tragen. Die jungen Frauen sind offenbar nicht zufrieden mit ihren natürlich persischen Nasen und lasse sich jene gerne im Rahmen eines „nose jobs“, also einer Nasen-OP, richten. Als blonder Westeuropäer werden einem von den Mädchen reihenweise feurige Blicke zugeworfen oder „Hi, I like you!“ herüber gerufen. Soweit sie in Begleitung ihrer Mütter sind, werden die Mädchen sogar von ihnen ermutigt, diesen Ausländer anzusprechen und ein gemeinsames Foto mit ihm zu machen. Oft werden sogar Einladungen zum häuslichen Mittag- oder Abendessen mit ihren Familien an mich herangetragen.

Erstaunlicherweise scheint also selbst eine Touristenstadt wie Esfahan unter einem Mangel an westlichen Ausländern zu leiden. Das erkenne ich auch daran, dass ich kaum eine Minute irgendwo in der Stadt stehen kann, ohne dass nicht irgendein Iraner auf mich zukommt und mit mir ein längeres Gespräch führen möchte (soweit seine Englischkenntnisse das zulassen), meistens über das umstrittene Bild des Irans in der Welt. Durch ihre herzliche Offenheit jedoch sowie ihre Gastfreundlichkeit konterkarieren die Iraner ihr negatives Image problemlos. Es zeigt doch, dass Reisen für beide Seiten von Vorteil sein kann: Ich als Westeuropäer erkenne, wie verzerrend und falsch westliche Medien über die Iraner berichten, während die Iraner durch die Begegnung mit westlichen Ausländern ihr negatives Image gerade rücken können und ein wenig mehr über die Welt erfahren. Letzeres ist für die Iraner besonders wichtig, denn sie können nur wenig reisen, da ihnen kaum ein Land Touristenvisa gewährt. Ein junger Mann etwa beschrieb sein Heimatland Iran als „Käfig“.

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